Wer einmal Mitrovica, eine der letzten geteilten Städte des Kontinents, besucht hat - wie der Verfasser dieses Beitrages - ist sich der explosiven Spannung bewusst, die sich dort im hohen Norden des Kosovos angehäuft hat.

Geteilte Stadt Mitrovica - Die Feindseligkeit wächst

Acht Jahre sind vergangen seit ich in einem Helikopter der KFOR-Truppen aus Pristina neben dem etwas klobigen Denkmal landete, welches dort zu Zeiten Titos auf einem Hügel über der Stadt errichtet wurde. Von dort erblickten wir die Stadt und wurden von den Schweizer Soldaten der Swisscoy, die dort ihren Dienst versahen, über die Ausgangslage informiert.

Das Ziel der Schweizer, damals wie heute: Soziale Spannungen im Gespräch mit der Bevölkerung frühzeitig erkennen – und so dafür sorgen, dass das Pulverfass Kosovo nicht hochgeht. „Liaison and Monitoring“, wie man das im Militärjargon zu nennen pflegt.

Die Schweizer warnten uns damals, die serbische Seite der Stadt zu betreten, ein Ratschlag den wir - eine Gruppe von deutschen Journalisten - ignorierten.

Während auf der albanischen Seite das Leben pulsierte und das Stadtbild von Jugendlichen und Kindern dominiert wurde, schon aufgrund der demographischen Explosion der albanischen Bevölkerung, schien der serbische Teil in einen Zustand der Erstarrung gefallen zu sein, ja in eine Art Trutzburg.

"Ihr im Westen habt diesen kriminellen Albaner-Staat geschaffen, jetzt müsst Ihr sehen, wie Ihr damit zurecht kommt!" erregte sich eine Dame im serbischen Teil der Stadt, nachdem wir ins Gespräch gekommen waren.

Der Fluss Ibar teilt in Mitrovica nämlich nicht nur zwei Stadthälften, sondern zwei ethnisch völlig segregierte Wohngebiete.

Die Brücke über den Fluss ist rund 20 Jahre nach dem Ausbruch des Krieges noch immer ein Symbol für den Kosovo-Konflikt. Auf dem Südufer leben Albaner, im Norden Serben. Zwar ist die Brücke mittlerweile für Fußgänger freigegeben, aber Kontakte zwischen Serben und Albanern gibt es so gut wie keine. Im Gegenteil: Die Feindseligkeit wächst.

Moskau warnt vor weiteren Spannungen 

Russland hat den Westen angesichts der aktuellen Konfrontation zu dringendem Handeln aufgefordert. Die Krise zwischen der NATO und Russland könnte dort auf dem West-Balkan eine weitere Eskalationsstufe erreichen.

Die internationalen Schutzmächte Pristinas müssten auf die Kosovo-Albaner einwirken, um eine weitere Eskalation des Konflikts mit unvorhersehbaren Folgen zu verhindern, fordert Russland, die traditionelle Schutzmacht Serbiens.

Die aktuelle Krise war durch eine Polizeirazzia der Kosovaren im bevölkerten Norden des Kosovo hervorgerufen worden, was die Russen als neuerliche Provokation der nichtalbanischen Bevölkerung kritisierten. Ferner reagierte Moskau konsterniert auf die Tatsache, dass im Zuge der Polizeiaktion ein russischer Diplomat vorübergehend in kosovarisches Gewahrsam genommen worden war.

Die kosovarische Regierung behauptete hingegen, die Razzia hätte sich gegen kriminelle Subjekte gerichtet, gegen Schmuggler und mafiöse Strukturen, von denen es in den eigenen Reihen nur so wimmeln würde.

Nord-Mitrovica gehört wie die serbischen Enklaven in der Umgebung zum Kosovo, obwohl die kosovarischen Behörden dort nur auf dem Papier etwas zu sagen haben. Nach Angaben des Innenministeriums in Pristina trafen die Sicherheitskräfte bei dem Einsatz gegen organisierte Kriminalität auf „bewaffneten Widerstand“.

19 Personen wurden bei der Razzia inhaftiert, darunter ein lokaler Polizeichef, bestätigte die Polizei in Pristina. Unter den Verhafteten, es handelt sich ausnahmslos um Polizisten, die mittlerweile vom Dienst suspendiert wurden, befinden sich demnach elf Serben, vier Albaner und vier Bosniaken. Der Chefankläger Syle Hoxha bestätigte bei derselben Pressekonferenz, dass die Razzia nach einjährigen Ermittlungen erfolgt sei.

UN-Mitarbeiter unter den Verhafteten – Vučić lässt Armee in volle Einsatzbereitschaft versetzen

Erstaunlich ist diesbezüglich allerdings, dass sich unter den Festgenommenen zwei Mitarbeiter der UN-Mission befinden, wie das UN-Büro in Pristina betätigte. Diese seien verletzt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die UNO richtete inzwischen scharfe Noten des Protestes in Richtung Pristinas und forderte die kosovarischen Behörden auf, die zwei Mitarbeiter dringend freizulassen.

Brisant ist dieser Fauxpas auch deshalb, da einer der verhafteten UN-Mitarbeiter Russe ist. 

Der kosovarische Präsident Hashim Thaçi erhob inzwischen den Vorwurf, dieser russische Staatsbürger habe „als Diplomat getarnt“ versucht, die Polizei an der Ausübung ihrer Pflichten zu hindern. Das russische Außenministerium verurteilte die Festnahme als „unerhörten Vorfall“, durch den die „provozierende Linie“ der Führung des Kosovo erneut sichtbar werde.

In Belgrad, wo man die Abspaltung der Wiege des Serbentums, als welches Kosovo nicht nur von Vertretern der orthodoxen Kirche angesehen wird, nie überwunden hat, ließ der serbische Präsident Vučić die nationale Armee und das Innenministerium in volle Einsatzbereitschaft versetzen. Die Gespenster des Balkans, von denen Peter Scholl-Latour einst treffenderweise schrieb, sind immer noch aktiv.

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